Campanula (Glockenblumen) und Wildbienen

Dass Korbblütler (Asteraceae) Insekten magisch anziehen, dürfte bekannt sein. Wie wichtig Glockenblumengewächse (Campanulaceae) für die Insektenwelt sind, wissen vielleicht weniger Menschen, deshalb will ich hier mal eine Lanze für die Glockenblumen brechen (und ihre nahen Verwandten wie die Ballonglocke – Platycodon grandiflorus) und ihre Bedeutung für Wildbienen aufzeigen.

Campanula rotundifolia (Rundblättrige Glockenblume) mit Chelostoma rapunculi (Weibchen)
Campanula rotundifolia (Rundblättrige Glockenblume) mit Chelostoma rapunculi (Weibchen)

Natürlich brauchen die erwachse­nen Wild­bienen (Imagines) Nahrung (in erster Linie Nektar), um zu über­leben. Von welchen Pflanzen sie den holen, spielt für sie zunächst mal keine so große Rolle – Haupt­sache, Nektar. Von welchen Pflan­zen Pollen gesammelt werden, um den Nachwuchs – die Larven – durchzufüttern, das ist jedoch nicht so variabel: Jede Bienenart hat ihre festen und bevorzugten Pollenlieferanten, je nach Art aus vielen Pflanzenfamilien oder nur aus einer. Ganz spezialisierte sammeln nur Pollen von Pflanzen aus einer Gattung oder sogar nur von einer Pflanzenart. (In der Regel und der Einfachheit halber für die Imagines sind die Pollenquellen auch gleich die Nektarquellen zur Eigenversorgung.) Auf die passenden Pollenlieferanten für die Larven kommt es also an. Wo sie fehlen, schauen sich die Wildbienen nicht nach geeigneten Nistmöglichkeiten um, da kann es noch so viele Nektarquellen geben.

Um die Wechsel­beziehung zwischen Glocken­blumen und Wild­bienen zu verdeut­lichen, picke ich mal die häufiger in den Gärten kultivierten mehr­jährigen Campanula-Arten heraus, deren Pollen Wild­bienen wissenschaftlich nachgewiesen für die Larven sammeln, und eine, an der ich Wildbienen beim Pollensammeln beobachtet habe (Campanula fenestrellata – das Sammeln bei ihr ist unschwer zu erkennen, weil ihr Pollen blau ist):

Campanula fenestrellata (Fensterchen-Glockenblume) mit Lasioglossum costulatum (Weibchen beim Pollensammeln)
Lasioglossum costulatum (Weibchen) beim Pollensammeln an Campanula fenestrellata (Fensterchen-Glockenblume)

Pollen dieser 14 Glocken­blumen wird von nicht weniger als 39 Wildbienen-Arten zum Versorgen der Larven gesammelt. Von diesen 39 Bienen-Arten kommen in Deutsch­land immerhin 21 noch mäßig häufig, häufig oder sogar sehr häufig vor. Und wenigstens 15 dieser häufigeren Arten sammeln Pollen von Campanula rotundifolia. Damit ist die Rundblättrige Glockenblume Pollenlieferant Nummer eins in der Gattung Campanula, gefolgt von der Nesselblättrigen Glockenblume (C. trachelium – mindestens 9 mäßig häufig bis sehr häufig vorkommende Bienen-Arten sammeln deren Pollen) und der Pfirsichblättrigen Glockenblume (C. persicifolia – wenigstens 8 häufigere Arten sammeln bei ihr Pollen). Zählt man die in Deutschland selteneren Arten dazu, sammeln an Campanula rotundifolia sogar minimum 27 Arten, an C. trachelium min. 13 und an C. persicifolia min. 10 Wildbienen-Arten.

Campanula grossekii (Serbische Glockenblume)  mit Lasioglossum costulatum (Weibchen)
Campanula grossekii (Serbische Glockenblume) mit Lasioglossum costulatum (Weibchen)

Wohlgemerkt: Diese Zahlen beziehen sich lediglich auf die untersuchten Pollenladungen sowie meine Beobachtungen. Von welchen Glockenblumen-Arten tatsächlich Pollen in den Nestern rumliegt, ist unbekannt. Die Bienen­gattung Bombus, die Hummeln, ist darin zudem gar nicht enthalten (weil Hummeln so unglaublich flexibel sind und so ziemlich alles sammeln).

Unter den insgesamt 39 Wildbienen-Arten, bei denen das Sammeln von Glockenblumen-Pollen nachgewiesen wurde, sind 12 Arten (7 davon kommen hierzulande relativ häufig vor), die nur Pollen von Campanulaceae (der Familie) sammeln, darunter wiederum 5, die ausschließlich an Glockenblumen, also an der Gattung Campanula sammeln; oligolektisch nennen Wissenschaftler ein solches Pollensammelverhalten ausschließlich bei einer Pflanzenfamilie, streng oligolektisch das Sammeln bei nur einer Gattung.

Platycodon grandiflorus 'Album' (Ballonblume) mit Chelostoma rapunculi (Weibchen)
Platycodon grandiflorus 'Album' (Ballonblume) mit Chelostoma rapunculi (Weibchen)

Bei uns im Garten ist das so: Bevorzugt sammeln alle an Campanula­ceae oligo­lektischen Bienen, die sich bei uns so rum­treiben, an den Glocken­blumen. Nur wenn davon nicht aus­reichend vor­handen sind oder blühen oder die Pollen abge­erntet sind, weichen sie auf andere Glockenblumen­gewächse aus. Sehr beliebt ist dann Platycodon grandiflorus (Ballonblume), der zwar aus Asien stammt, dessen Blüten in Aufbau und Blühweise den Blüten der Glockenblumen jedoch sehr ähnlich sind.

Zugegeben, das waren jetzt viele Zahlen. Doch an ihnen lässt sich ablesen, dass Wildbienen nicht nur von sogenanntem Unkraut leben und dass Wildbienen-Hilfe und Gartengestaltung kein Widerspruch sein muss. Wenn, ja wenn bei der Bepflanzung des Gartens berücksichtigt wird, dass von einer Glockenblume keine Wildbiene leben, geschweige denn sich fortpflanzen kann. Und schon wieder Zahlen am Beispiel Campanula rotundifolia: Um eine einzige Brutzelle (somit eine Larve) mit Pollen von dieser Glockenblume ausstatten zu können (Westrich 2018 nach Müller et al. 2006) braucht Dufourea dentiventris (eine Glanzbiene) 18 Blüten (4,5 Pflanzen), Lasioglossum costulatum (Glockenblumen-Schmalbiene) 35,2 Blüten (8,8 Pflanzen), Melitta haemorrhoidalis (Glockenblumen-Sägehornbiene) 66,3 Blüten (16,6 Pflanzen) und Chelostoma campanularum (Kleine Glockenblumen-Scherenbiene) 6,8 Blüten (1,7 Pflanzen).

Campanula persicifolia (Pfirsichblättrige Glockenblume) mit Chelostoma rapunculi (Männchen)
Campanula persicifolia ((Pfirsichblättrige Glockenblume) mit Chelostoma rapunculi (Männchen)

Eine ordent­liche Menge, die man als Wild­biene in der Natur erst mal finden muss, zumal jede Biene ja nicht nur für ein Ei bzw. eine Larve Pollen braucht. So viele Glocken­blumen wie benötigt, um eine aus­reichende Vermehrungs­grundlage (und damit einen Anreiz) für Wild­bienen-Arten zu schaffen, passen auch nicht eben so in jeden (Klein-)Garten. Trotzdem machbar, wenn sich Nachbarn zusammentun und sozusagen zaunübergreifend ein Wildbienen-Catering ins Leben rufen. Doch selbst dieses Engagement hilft den Wildbienen nicht weiter, so denn geeignete Nistplätze ganz in der Nähe der Gärten fehlen. Je näher Nistplatz und Pollen­quellen beieinanderliegen, desto besser, denn nur einige Wildbienen-Arten legen Entfernungen von 500 m und mehr zurück; die meisten fliegen bloß (deutlich) kürzere Strecken.

Bevor es jetzt noch unübersichtlicher wird, habe ich diejenigen Arten, die nur Pollen von Campanula (Gattung) oder Campanulaceae (Familie) sammeln, also streng oligolektisch oder oligolektisch sind, ihr Vorkommen in Deutschland sowie ihr Nistverhalten und die Flugzeiten in Tabellen zusammengefasst (nach Westrich 2018 und einigen eigenen Beobachtungen):

Oligolektische Wildbienen an häufigen Garten-Glockenblumen (Campanula)

Pollenlieferant/
Campanula-Art      
Deutscher
Pflanzenname 
Bienen-Gattung
und -Art
Häufigkeit in
Deutschland
Verbreitung in Deutschland
C. carpatica Karpaten-
Glockenblume
Chelostoma rapunculi häufig weit verbreitet
C. cochleariifolia Zwerg-
Glockenblume
Dufourea dentiventris mäßig häufig alle Regionen, Schwerpunkt Mittelgebirge



Bienen-Gattung
und -Art
Deutscher
Bienenname
Nachgewiesenes
Pollensammelverhalten
NistweiseFlugzeit
Andrena curvungula Braunschuppige Sandbiene nur von Campanulaceae (Familie) unterirdisch an spärlich bewachsenen Stellen in selbst gegrabenen Hohlräumen ca. Mitte Mai bis Ende Juni (eine Generation/Jahr)


Campanula glomerata (Knäuel-Glockenblume) mit Chelostoma rapunculi (li.) und Lasioglossum costulatum (re.)
Campanula glomerata (Knäuel-Glockenblume) mit Chelostoma rapunculi (li.) und Lasioglossum costulatum (re.)

Die genannten Scheren­bienen (Gattung Chelostoma) nisten alle drei auch im Sied­lungs­bereich. Für sie lohnt es sich, mit ver­schiedenen Nist­hilfen zu experi­mentieren: Schilf­halme oder Stäbe von Miscanthus x giganteus (Riesen-Chinaschilf) kommen dafür infrage und sind leicht zu bekommen. Wichtig ist eben der richtige Innen- bzw. Lochdurchmesser. Totholz, also Stamm­teile oder dicke Äste von gefällten oder abgestorbenen Bäumen, die im Freien verwittern dürfen, lassen sich ebenfalls vergleichsweise leicht organisieren. Weitere Informationen: Tipps zur Verbesserung der Nistmöglichkeiten für Bewohner vorhandener Hohlräume von Paul Westrich und zur Besiedelung markhaltiger und hohler Stängel von H.-J. Martin.

Nichts kann die Natur und natürliche Habitate ersetzen. Sie zu erhalten und Flora und Fauna wieder mehr Lebensraum zuzugestehen, das sollte unser aller Ziel sein. Unsere Gärten können die Natur zudem ergänzen und mit der "richtigen" Bepflanzung und Gestaltung (was beides nichts mit "Wildnis" zu tun hat) Wildbienen sowie andere Insekten sinnvoll unterstützen. Diese Möglichkeit sollten wir nicht ungenutzt lassen.


Literatur:



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