Lassen Sie sich also nicht verunsichern!
Männchen der Wiesen-Hummel (Bombus pratorum) an Scabiosa columbaria 'Nana'
Insekten im Allgemeinen und Bienen im Besonderen sind seit einer Weile – bildlich gesprochen – in aller Munde. Davon angestachelt habe ich begonnen, mich mit den Insekten etwas zu befassen, denn schließlich muss ich wissen, was sich bei mir auf dem Grundstück alles so tummelt, um meinen Garten gezielt als Lebensraum für die Insekten verbessern zu können. Das Erste, was ich dabei gelernt habe:
Weibchen der Wiesen-Hummel (Bombus pratorum) an Veronica teucrium
Ergo: Sich einen Überblick über alle Insekten im Garten verschaffen zu wollen, ist für Laien wie mich utopisch. Eingrenzen hieß daher die Devise und bei den Wildbienen bin ich dann hängengeblieben, mit denen habe ich mich eingehender (nicht eingehend!) befasst und mir Literatur besorgt.
Honigbiene auf Eranthis hyemalis (Winterling)
Wenn man sich mit der Insektengruppe der Wildbienen befasst oder besser: befassen will, ist das größte Problem zu Anfang: Wie unterscheide ich die Wildbienen von den Honigbienen? Bei Hummeln (Gattung Bombus) ist das ob ihrer Größe und meist farbenfrohen Behaarung noch vergleichsweise einfach. Doch unter den ca. 580 im Jahr 2018 in Deutschland vorkommenden Wildbienen-Arten gibt es auch viele, die in Größe und Zeichnung den Honigbienen stark ähneln.
Hier hilft die Flügeladerung weiter, die sogar "im Feld" meist gut zu erkennen ist, wenn eine Biene auf oder in einer Blüte herumturnt. Eine solche Aderung mit drei Cubitalzellen und einer ganz lang gestreckten Radialzelle gibt es nur bei Honigbienen (danke an Andreas Haselböck für diesen hilfreichen Hinweis auf www.naturspaziergang.de):
Honigbienen-Flügel: Die Aderung ist unverwechselbar
Vespula germanica, die Deutsche Wespe, an Sedum 'Matrona'
Kann man Honigbienen ausschließen, bleibt bei manchen größeren gelb-schwarzen Arten noch die Verwechslungsgefahr mit Schwebfliegen-Arten und Wespen, zum Beispiel mit den Sozialen Faltenwespen wie der Deutschen Wespe (Vespula germanica) oder der Gemeinen Wespe (Vespula vulgaris). Bienen sind meist pummeliger als Wespen, das sollte man sich merken. Bei ganz vielen kleinen Arten weiß man hingegen nicht, sind's Bienen oder vielleicht Grabwespen? Oder ganz was anderes?
Halictus scabiosae (Männchen) auf Symphyotrichum novae-angliae
Draußen im Garten lässt sich vielfach nicht mehr sagen als "Es summt und brummt.", doch selbst anhand von (guten) Fotos ist eine Bestimmung selten möglich. Dafür sorgen nicht zuletzt die Entomologen, die die Insekten bei der Einteilung (Familien, Gattungen, Arten etc.) noch feiner aufdröseln als Botaniker die Pflanzen; Arten unterscheiden sich deshalb oft bloß durch nur unter dem Mikroskop sichtbare Details oder gar durch die Genitalien. Für solche "Untersuchungen" mussten und müssen die Tiere getötet werden (wozu es bei uns inzwischen einer Genehmigung bedarf, denn Wildbienen sind alle besonders geschützt). Ob der Nutzen dieses Vorgehens den Schaden – die Dezimierung der Insekten – überwiegt? Die Entomologen sagen Ja!
Dass Männchen und Weibchen bei den meisten Arten recht unterschiedlich aussehen, erleichtert die Sache nicht. Das Bestimmen der Arten ist uns Laien also praktisch unmöglich, nur ein paar vereinzelte sind einigermaßen "unverwechselbar", zumal wenn sie ganz besonders farbenfroh behaart sind. Aber Achtung: Bei älteren Exemplaren können die Farben ausgebleicht und/
Halictus scabiosae (Weibchen) auf Schweizer Minze (Mentha)
Wenn man sich eine Weile mit diesen Insekten befasst hat, gelingt es immerhin meistens, zumindest die Gattung zu erkennen, zu der eine Biene gehört; das ist doch schon was. Und manchmal helfen das Ausschlussprinzip, die Flugzeit und/
Ebenfalls ein hilfreiches Bestimmungsmerkmal: Bei einigen Wildbienen-Arten haben die Weibchen eine Pollenbürste (auch Bauchbürste genannt) auf der Unterseite des Hinterleibs, mit der Pollen zur Larvenversorgung gesammelt und ins Nest transportiert werden (andere Bienen-Arten sammeln Pollen im Kropf oder an den Hinterbeinen wie die Honigbienen und – ganz wichtig – nur die Weibchen sammeln Pollen und kümmern sich ums Nisten).
Anthidium manicatum mit gut sichtbarer Pollenbürste
Diese Bürste mit nach hinten gerichteten, abstehenden Haaren ist recht gut sichtbar und so eine Bauchbürste haben die Weibchen der Arten in den Gattungen Anthidium (Woll- und Harzbienen), Chelostoma (Scherenbienen), Heriades (Löcherbienen), Lithurgus (Steinbienen), Megachile (Blattschneiderbienen) sowie Osmia (Mauerbienen). Diese Bienen-Arten haben außerdem nur zwei Cubitalzellen in der Flügeladerung.
Nicht mehr ganz taufrisches (ausgebleicht, abgeflogen) Weibchen von Anthophora quadrimaculata
Am besten lassen sich Bienen in Augenschein nehmen und fotografieren, wenn sie in Blüten oder an Pflanzenstängeln schlafen. Leicht zu bestimmen sind sie deshalb noch lange nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass manche Merkmale unter verschiedenen Lichtverhältnissen und Blickwinkeln unterschiedlich wirken: So sind Haarbinden auf dem Hinterleib mal sichtbar, mal nicht, scheinen rötliche Haare plötzlich braun oder grau und matte Körper hält man für glänzend, um nur ein paar Beispiele zu nennen. – Wildbienen anhand von Fotos bestimmen zu wollen, kostet unglaublich viel Zeit und ist meist arg enttäuschend, weil so selten von Erfolg gekrönt.
Hier ein konkretes Beispiel für farbliche Irritationen durch den (Sonnen-)
Haare auf dem Hinterleibsende wirken orangebraun
Haare auf dem Hinterleibsende wirken schwarzbraun
Wer sich nicht damit zufriedengeben will, dass es im Garten summt und brummt, der findet unter www.naturspaziergang.de einen recht guten (im Aufbau befindlichen) Wildbienen-Bestimmungsschlüssel für Einsteiger.
Mit deutschen Namen kommen Sie bei den Wildbienen übrigens nicht weit: Für die meisten Arten gibt es keine. Immerhin haben es die Gattungen der Bienen zu deutschen Namen gebracht, als da sind:
Bienen-Familien und -Gattungen | ||
Familie: Seidenbienenartige (Colletidae) | ||
Colletes | Seidenbienen | 15 Arten in D |
Hylaeus | Maskenbienen | 39 Arten in D |
Andrena bicolor (Weibchen) sammelt Pollen von Campanula grossekii
Vorweg: Es kommt nicht so sehr darauf an, welche Pflanzen den erwachsenen Bienen (Imagines) als Futterquelle zu ihrer eigenen Ernährung zur Verfügung stehen. Sie könnten im Prinzip von allen Pflanzen leben, die Nektar produzieren/
Colletes similis (Weibchen) sammelt Pollen von Galatella sedifolia 'Nanus'
Es gibt Wildbienen-Arten, die als Larvenproviant Pollen von Pflanzen aus (vielen) verschiedenen Pflanzenfamilien sammeln (sie sind polylektisch, wie sich das wissenschaftlich nennt). Andere Arten beschränken sich beim Sammeln auf eine Pflanzenfamilie (oligolektisch nennt sich das) oder gar nur auf eine (oder ein paar) Pflanzengattung aus dieser Familie (die sind streng oligolektisch). Das ist wie bei den Schmetterlingen, deren Raupen ja auch nicht wahllos an Pflanzen fressen, sondern die festgelegte Raupenfutterpflanzen haben.
Colletes hederae (Weibchen) an einer Efeu-Blüte
Beispiele: Bei der Zweifarbigen Sandbiene, Andrena bicolor, wurde anhand von Pollenproben nachgewiesen, dass sie (polylektisch) Pollen von Pflanzen aus 15 verschiedenen Pflanzenfamilien sammelt. Die Rainfarn-Seidenbiene, Colletes similis, sammelt nur Pollen an Pflanzen aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), ist also oligolektisch, während die Efeu-Seidenbiene, Colletes hederae, gar bloß Efeu-Pollen sammelt und sich damit auf die Pflanzengattung Hedera aus der Pflanzenfamilie der Araliengewächse (Araliaceae) beschränkt – ein streng oligolektisches Pollensammelverhalten. 32 % der in Deutschland nachgewiesenen Wildbienen sind oligolektisch (Westrich 2018).
Anthidium oblongatum – Paarung auf Sempervivum-Blüte
Wir Gartenbesitzer, Balkongärtner (wegen der recht kleinen Fläche leider lediglich bedingt und nur bis zum 2. oder 3. Stock), Schrebergartenpächter und andere können Wildbienen tatkräftig unterstützen. Immerhin bewirtschaften wir riesige Flächen, wenn man alle Gartenanlagen zusammenrechnet. Wildbienen sammeln Pollen nämlich nicht nur von Pflanzen, die wir landläufig als "Unkraut" bezeichnen, sondern auch an einer Fülle an Stauden, die wir ohnehin schon gern im Garten kultivieren, weil sie einfach schön sind. Niemand braucht sich daher zu sorgen, dass sein Gartenparadies zur Wildnis, zu einer Unkrautflur verkommt, wenn er ihn wildbienenfreundlich bepflanzt. Und mehr Arbeit macht so ein Garten ebenfalls nicht. Einzig der Verzicht auf chemische Spritzmittel aller Art den Insekten zuliebe, der dürfte mit etwas Zusatzaufwand verbunden sein, das gebe ich zu. Das sollte es uns aber wert sein!
Lasioglossum costulatum (Weibchen) sammelt (blaue!) Campanula-fenestrellata-Pollen
Wissenschaftler (die Entomologen) haben die Wildbienen beim Pollensammeln beobachtet bzw. von verschiedenen Wildbienen-Arten gesammelten Pollen untersucht. Unter anderem haben die Bienen-Damen Pollen von 118 Stauden (ein paar Zweijährige bzw. Kurzlebige hab′ ich auch dazugenommen) eingetragen, die man durchaus mit dem (unseligen) Attribut "gartenwürdig" belegen kann (nach Westrich 2018). An – bislang – 15 weiteren Stauden-Arten habe ich Wildbienen-Weibchen selbst beim Pollensammeln beobachtet. Sie alle sind in der folgenden Liste enthalten (eigene Beobachtungen habe ich mit einem * gekennzeichnet).
Pflanzenfamilie | Pflanzengattung und ‑art | Deutscher Pflanzenname |
Alliaceae – Lauchgewächse | Allium giganteum | Riesen-Lauch |
Allium sphaerocephalon | Kugel-Lauch | |
Allium ursinum | Bär-Lauch | |
Anthericaceae – Grasliliengewächse | Anthericum ramosum | Ästige Graslilie |
Megachile willughbiella beim Pollensammeln auf Gaura lindheimeri
Dazu ist anzumerken, dass der Nutzen einzelner Staudenarten für Wildbienen völlig unterschiedlich ist. So ist Aster amellus (Berg-Aster, Kalk-Aster) beispielsweise lediglich bei einer Bienen-Art (Osmia spinulosa) als Pollenquelle belegt, Echium vulgare (Gewöhnlicher Natternkopf) hingegen bei 39 Bienen-Arten. Hummeln (Bombus) wiederum sind derartig vielseitig in ihrem Sammelverhalten, dass von Hummeln gesammelter Staudenpollen in dieser Aufstellung nicht berücksichtigt ist.
Bauchsammlerin Chelostoma rapunculi an Platycodon
Wie viele Gartenstauden tatsächlich als Pollenquelle für Wildbienen dienen, lässt sich nicht beziffern. So wählerisch sind die Bienen nämlich auch wieder nicht (das können sie sich gar nicht leisten) und deshalb können wir davon ausgehen, dass fremdländische Pflanzenarten, die gute Pollenlieferanten sind und in das Sammelmuster (Pflanzenfamilie/
Lasioglossum nitidulum beim Pollensammeln auf Verbascum chaixii 'Album'
Grundsätzlich kann man sagen, dass Bienen-Arten, die auf wenige Pollenpflanzen festgelegt sind, weitaus schwerer Ersatz für fehlende bzw. bereits abgeerntete Pollenlieferanten finden als solche mit einem flexibleren Pollensammelverhalten. Am ehesten können Bienen-Arten auf Pflanzenarten aus den jeweils bevorzugten Familien und Gattungen ausweichen, die in Blütengröße, ‑farbe und ‑aufbau dem "Original" sehr ähnlichn sind. Die beliebten Herbst-Astern (Symphyotrichum) übrigens werden zwar gern zum Nektartanken angesteuert, sind aber als Pollenlieferanten nur für ein paar wenige späte Wildbienen nützlich. Trotzdem sollten sie in einem ausgewogenen und abwechslungsreichen Garten nicht fehlen, vor allem weil so gut wie alle erwachsenen Insekten Nektar brauchen.
Chelostoma rapunculi (Männchen) auf Campanula persicifolia
Es geht also nicht darum, nur gute Pollen- und Nektarlieferanten für Wildbienen zu pflanzen. Es geht darum, auch solche Pollen- und Nektarquellen anzubieten. Je mehr, desto besser für die Bienen. Nebenbei: Mit Ziergräsern ist keiner Wildbiene gedient. Aber deshalb darauf verzichten, obwohl man selbst Freude daran hat? Nein! Im Gegenteil: (Zier-)
Anthidium strigatum (Weibchen) auf Sedum aizoon
Stauden-Sorten, also Züchtungen, und erst recht Auslesen (selektierte Pflanzen mit besonderen Merkmalen) werden als Pollenquelle ebenso akzeptiert wie die reinen Staudenarten. Wichtig für die Wildbienen ist, dass Sie im Garten und anderswo auf gefüllt blühende Pflanzen verzichten; die machen es den Insekten nämlich schwer, an den Nektar zu kommen, und bieten zudem häufig gar keinen Pollen mehr an, weil ihre Staubblätter zu Blütenblättern umgewandelt wurden und so für die fülligen Blüten sorgen. Extrem ist das bei vielen Pfingstrosen-Züchtungen (Paeonia).
Diese 186 Wildbienen-Arten – in Deutschland verschollene sind nicht enthalten – sammeln Pollen an einer oder mehreren der obengenannten Stauden (nach Westrich 2018):
Bienen-Gattung und ‑Art | Deutscher Bienenname | Häufigkeit in Deutschland | Verbreitung in Deutschland | Flugzeit in Deutschland |
Andrena alfkenella | Sandbiene | selten | weit verbreitet, im Norddt. Tiefland jedoch teilweise verschollen | bivoltin: 1. Generation Mai-Juni, 2. Generation Juli-August |
Andrena argentata | Sandbiene | selten | weit verbreitet, nördl. der Mittelgebirge häufiger als südlich | bivoltin: 1. Generation April-Mai, 2. Generation Anfang Juli-Mitte September |
Andrena flavipes (Weibchen) auf Eryngium giganteum
Was für die Wildbienen neben den "richtigen" Pflanzen noch ausschlaggebend ist, ist die Menge der vorhandenen Pollenlieferanten. Allein um eine einzige Larve mit Pollen auszustatten, braucht beispielsweise die Mauerbienen-Art Osmia anthocopoides 164,1 Blüten von Echium vulgare, dem Gewöhnlichen Natternkopf (das entspricht 0,5 Pflanzen). Von Lythrum salicaria (Blutweiderich) benötigen die Blutweiderich-Langhornbiene, Eucera salicariae, 232,5 Blüten (0,2 Pflanzen) und die Esparsetten-Sägehornbiene, Melitta dimidiata, 245,9 Blüten (0,2 Pflanzen) (Westrich 2018 nach Müller et al. 2006).
Holzbienen sind richtige Brummer: Xylocopa violacea (Männchen) an Lavandula angustifolia
Wenn ich mir also zehn oder 20 als Pollenquellen geeignete Staudenarten (siehe Liste weiter oben) aussuche und jeweils eine Pflanze in den Garten setze, bringt das den Wildbienen wenig. Konzentriere ich mich auf weniger Arten und pflanze die in größerer Stückzahl in den Garten, wird's schon besser, aber auch schnell monoton. Da wäre es doch das Sinnvollste, sich mit den Nachbarn zu einem zaunübergreifenden Wildbienen- und Insekten-Schlaraffenland zusammenzutun. Jedermanns Vorlieben werden dabei berücksichtigt, solange es dadurch straßenweise nicht nur Glockenblumen (Campanula) zum Beispiel gäbe. Doch selbst so eine "Monokultur" käme einigen auf Glockenblumen spezialisierten Bienen-Arten gelegen, die dazu häufig in Siedlungsbereichen anzutreffen sind und dort auch nisten (Chelostoma-Arten – Scherenbienen).
Wer so mit Pollen beladen ist, schafft keine langen Strecken: Ein Sandbienen-Weibchen macht Pause
Mag das Pollen- und Nektarangebot für Wildbienen noch so verlockend sein – wo sie nicht ganz in der Nähe ihr Nest bauen können und das dazu nötige Material finden, haben die Bienen nichts davon. Hummeln (und Honigbienen) sind die Ausnahme, sie können mehrere Kilometer zwischen Nest und Pollenquelle pendeln. Xylocopa (Holzbienen) sowie einige größere Arten der Gattung Andrena (Sandbienen) und Lasioglossum (Schmalbienen) finden immerhin noch aus über einem Kilometer Distanz zurück zum Nest, doch das Gros der Wildbienen-Arten bleibt deutlich unter einem halben Kilometer Luftlinie; eine maximale Entfernung von nur um die 100 Meter zwischen Nest und Pollen- und Nektarquelle ist keine Seltenheit.
Beim Aufspannen versehentlich zerstört: Mauerbienen-Nest in einem Sonnenschirm
Die kleinsten Wildbienen-Arten sind übrigens gerade mal 4‑5 mm groß, die größten (Xylocopa – Holzbienen) über zwei Zentimeter, fast bis drei. Dazwischen gibt's alle Größen.
Nun ist es allerdings beileibe nicht so, dass alle Bienen-Arten in gleicher Weise nisten. Das wäre zu einfach. Ganz grob lassen sie sich einteilen in die unterirdischen Nister und die oberirdischen Nister, wobei jedes Nest in der Regel (es gibt Ausnahmen) nur einmal benutzt wird.
Halictus-scabiosae-Weibchen entert sein Erdnest
Die "Unterirdischen" (das ist die Mehrheit) graben selbst mit ihren Mundwerkzeugen Nistgänge in die Erde oder legen ihre Nester in vorgefundenen Hohlräumen an (verlassene Nester von Wildbienen und anderen Insekten, alte Mäusegänge etc.). Die Selbstgraber haben wiederum genaue Vorstellungen davon, wie der Boden beschaffen zu sein hat, in den sie Gänge graben: sandig, lehmig, steinig oder egal, ohne Bewuchs, mit Bewuchs oder mit spärlichem Bewuchs, eben, leicht schräg, steil abfallend oder egal – für alles gibt es Fans. Für uns Gartenbesitzer bedeutet das vor allem: Vorsichtige bis gar keine Bodenbearbeitung, besonders dann, wenn irgendwo Wildbienen (und andere Insekten) in Erdlöchern verschwinden. Da ist gute Beobachtungsgabe gefragt.
Bitte solche "Scheiterhaufen" nicht demolieren: Osmia bicolor baut in leere Schneckenhäuser und drapiert Stängel drumherum
Die "Oberirdischen" nagen zum Beispiel Gänge in markhaltige Stängel von Brombeere, Himbeere (Rubus), Königskerzen (Verbascum), Beifuß (Artemisia), Herzgespann (Leonurus cardiaca), Holunder (Sambucus niger) … oder beziehen Steinritzen, leere Schneckenhäuser, Totholz und hohle Stängel. Diese hohlen Stängel müssen für jede darin nistende Bienen-Art einen individuellen Innen- bzw. Lochdurchmesser haben, der sich zwischen 2 und 9 mm bewegt; die Länge sollte schon wenigstens 15 cm betragen. Die Schneckenhäuser für etliche Mauerbienen-Arten (Osmia) müssen ebenfalls eine bestimmte Größe haben; leere Gehäuse der recht häufig vorkommenden Garten-Bänderschnecke (Cepaea hortensis) etwa sind optimal.
Garten-Bänderschnecke (Cepaea hortensis)
Nisthilfen nehmen die wenigsten Arten an, doch einen Versuch sind sie wert, sofern sich rings um den Garten so rein gar keine natürliche Alternative dazu bietet. Brauchbare Nisthilfen für Wildbienen und andere Insekten – ob selbst gefertigt oder gekauft – sollten strenge Anforderungen erfüllen. Wer sich in dieses Thema reinfuchsen möchte, dem bieten die Internet-Seiten www.wildbienen.info (mehrere Kapitel) und www.wildbienen.de (Startseite zu mehreren Detailseiten) eine gute Hilfestellung von Experten auf diesem Gebiet (keine Händler!).
Megachile centuncularis (Weibchen) an Baptisia australis
Um ihre Nester bauen zu können, benötigen manche Wildbienen-Arten Baumaterial, das sie in einem nicht "überpflegten" und "klinisch reinen" Garten (Frage: Wer hat denn dafür eigentlich die Zeit?) problemlos finden: kleine Steinchen, Sandkörnchen, dürre Zweige, Blätter und Stängel, Blütenblätter, Harz, (Pflanzen-)
Wenn man so rein gar nicht weiß, ob und wenn ja, was sich im Garten tummelt, kann man auch erst mal nach dem Prinzip "Trial and Error" ganz einfache und kostenlose Nisthilfen in Form von alten Königskerzen-Stängeln (Verbascum) sowie Bambus-, Schilf- oder Riesen-Chinaschilf-Röhrchen (Miscanthus x giganteus) mit verschiedenen Lochdurchmessern anbieten und beobachten, ob sie besiedelt werden. Etliche häufige und weit verbreitete Bienen-Arten, die auch an den genannten Stauden sammeln, sind damit zufrieden.
Garten-Stauden als Pollenquelle | Sammelnde Bienen-Art | Häufigkeit in Deutschland | Verbreitung in Deutschland | Pollensammelverhalten allgemein |
Centaurea jacea | Anthidium nanum | selten | nördlich bis zum Rand der Mittelgebirge und nordöstliches Tiefland | oligolektisch auf Asteraceae (Korbblütler) |
Centaurea scabiosa | ||||
Centaurea scabiosa | Ceratina chalybea | selten | nur zerstreut im Südwesten | polylektisch (6 Pflanzenfamilien) |
Dianthus carthusianorum | ||||
Echium vulgare | ||||
Jasione laevis | ||||
Jasione montana |
Bienen-Art | Deutscher Bienenname | Nistplatz | Flugzeit in Deutschland |
Anthidium nanum | Distel-Wollbiene | abgebrochene markhaltige, dünne Stängel, etwa Verbascum (Königskerze), Cirsium (Distel) etc.; auch in Schilfhalmen | univoltin: Anfang Juli-Mitte August |
Ceratina chalybea | Große Keulhornbiene | selbst genagte Hohlräume in markhaltigen Stängeln z.B. von Rubus (Brombeere), Verbascum (Königskerze), Lavatera (Strauchpappel) | univoltin: je nach Witterung ab Ende April |
Heriades vermutlich truncorum (Weibchen) auf Rudbeckia subtomentosa
Nichts kann die natürlichen Habitate (Lebensräume) der Wildbienen ersetzen. Aber unsere Gärten können sie ergänzen und sind ein Baustein zum Erhalt der Artenvielfalt. Am wohlsten fühlen sich die Bienen im offenen Land. Brachflächen – selbst in Städten – sind für manche Arten ebenfalls ein Refugium, weil sie Pollenquellen und Nistmöglichkeiten bieten. Wenig hilfreich für Insekten sind dagegen Flächen in der Natur, die brach liegen und an denen rein gar nichts gemacht wird. Sie verbuschen sehr rasch, Sträucher und Bäume gewinnen dann die Oberhand und verdrängen niedrige Blütenpflanzen. Für große und kleine Säugetiere sowie Vögel werden daraus ideale Rückzugsgebiete, die meisten Insekten aber haben nichts davon. Städte und Kommunen handhaben das gern so; sie denken, nichts zu tun, sei genug getan. Leider zu kurz gedacht.
Flugzeit Mitte Mai bis Ende Juni. Wenn ich das gelesen habe, dachte ich anfangs immer: "Und was machen die den Rest des Jahres?" Inzwischen habe ich es verstanden: Sie sind tot!
Andrena haemorrhoa (Weibchen) Anfang September an einer Efeu-Blüte
Tatsächlich fliegen die einzelnen Wildbienen-Arten vielfach nur kurze Zeit, die Weibchen nur so lange, wie sie zum Nestbau und Ablegen der Eier brauchen, die Männchen bis kurz nach der Paarung. Dann haben sie ihre Aufgabe – den Arterhalt – erfüllt und sterben. Gekoppelt ist ihre Flugzeit natürlich auch an die Blühzeiten der Pollenquellen und die Witterung, weshalb es immer nur Circaangaben geben kann. In Jahren mit solch heißen, langen Sommern wie 2018 kommen aber selbst Wildbienen durcheinander: Andrena haemorrhoa fliegt normalerweise von Anfang April bis Anfang Juni, doch 2018 war sie Anfang September beim Nektartanken am Efeu zu beobachten. Oder Andrena cineraria, deren übliche Flugzeit April und Mai ist, die 2018 jedoch Mitte Oktober auf Galatella sedifolia 'Nanus', der Sedumblättrigen Aster, herumturnte.
Andrena cineraria (Weibchen) Mitte Oktober auf
Galatella sedifolia 'Nanus'
Je nach Bienen-Art gibt es pro Jahr eine oder zwei neue Generationen. Univoltin nennt man Arten mit in der Regel einer, bivoltin Arten mit zwei Generationen im Jahr.
Über den Winter kommen die Bienen ganz unterschiedlich: als Weibchen und Männchen vor der Paarung oder als begattete Weibchen (diese erwachsenen Tiere waren also schon mal unterwegs), als (Ruhe-)
In etlichen Fällen muss man also schnell sein, um eine Art beobachten zu können, weil sie jedes Jahr nur vier oder sechs Wochen fliegt. Und das Wetter muss in dieser kurzen Zeit passen, denn Wildbienen sind Sonnenanbeter. Wenige Hartgesottene (Frühjahrsarten und Bombus, die Hummeln) fliegen auch bei 10 °C, größtenteils brauchen sie aber höhere Temperaturen von 16 °C und mehr. Regen und stärkerer Wind verhindern die Flugaktivitäten ebenfalls.
Bombus pascuorum an Stachys officinalis
Die meisten Wildbienen-Arten sind Einzelgänger (Solitärbienen). Jedes Weibchen betreibt den Nestbau und die Ausstattung der Nester mit Pollen (und anderen Substanzen) für die Larven also für sich. Nur wenige Arten entwickeln verschiedenartige Sozialgefüge (enger oder lockerer), innerhalb derer sich mehrere Weibchen zusammentun und sich um die Fortpflanzung und ums Nisten gemeinsam kümmern. Besonders stark ausgeprägt ist dieses Sozialverhalten (die Arbeitsteilung) zum Beispiel bei den Hummeln (Bombus), die richtige Völker gründen, so ähnlich wie wir das von den Honigbienen kennen: Königin, Arbeiterinnen, Drohnen (Männchen). Nur mit dem Unterschied, dass eine Hummel-Königin im Gegensatz zu einer Honigbienen-Königin notfalls wieder selber sammeln könnte und damit auch allein, also ohne ihr Volk, überlebensfähig wäre.
Das ist jetzt mehr als vereinfacht dargestellt, sollte es im Kern jedoch treffen. Es geht hier ja nur darum, dass Sie "schon mal davon gehört" haben.
Eine der Kuckucksbienen: Sphecodes albilabris (Weibchen) auf Solidago virgaurea
Und dann gibt es da noch diejenigen Bienen-Arten, die fast nichts tun und andere für sich arbeiten lassen: die sogenannten Kuckucksbienen. Diese Bienen sind auf eine spezielle Wirtsbiene bzw. spezielle Wirtsbienen fixiert, in deren Nester sie ihre Eier schmuggeln. Die sich daraus entwickelnden Larven töten das Ei oder die Larve der Wirtsbiene und ernähren sich vom vorgefundenen Pollenproviant (sogenannte Brutparasiten). Oder aber der Nachwuchs der Kuckucksbienen wird von den Wirtsbienen mit aufgezogen (sogenannte Sozialparasiten).
Solche "Einrichtungen" wie Brutparasiten sind in der Natur durchaus sinnvoll, denn sie verhindern eine Überpopulation bestimmter Bienenarten. Wo also eine Kuckucksbiene beobachtet wird, kann man getrost davon ausgehen, dass auch deren Wirtsart nicht weit ist, ohne deren Unterstützung sich so ein Schmarotzer ja nicht fortpflanzen könnte, weil er kein Nest für seine Brut zustande brächte.
Weitere Antagonisten der Wildbienen gibt es en masse; diese anderen Insektenarten alle anzuführen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
"Ich glaub', das ist mir alles zu viel. Da kauf' ich mir doch lieber ein Bienenhotel mit Larven, hab' meine Freude daran und Gutes getan!"
Osmia bicornis (Weibchen) auf Echium vulgare
Dieser Gedanke geht komplett in die falsche Richtung, meine ich. Angeboten werden nämlich gerade die in ihren Ansprüchen flexiblen und "pflegeleichten" (und sehr attraktiven!) Mauerbienen-Arten Osmia bicornis (Rostrote Mauerbiene) und Osmia cornuta (Gehörnte Mauerbiene), die in Deutschland ohnehin noch häufig und weit (O. cornuta) bis flächendeckend (O. bicornis) verbreitet sind. Mit ihrer Zucht für Privatpersonen wird unter Umständen das fragile ökologische Gleichgewicht weiter gestört (im Erwerbsgartenbau werden nämlich bereits extra gezüchtete Mauerbienen eingesetzt) und einer Überpopulation dieser beiden Mauerbienen-Arten Vorschub geleistet. Zumal beide – und das ist besonders bedenklich – keine Gegenspieler in Form von Kuckucksbienen haben. Sie könnten dadurch bald zu ähnlich massiven Nahrungskonkurrenten für andere Wildbienen-Arten werden wie die Hochzuchtrassen der Honigbiene in der modernen Imkerei.