Anthericum liliago – Astlose Graslilie
Sie sind einfach schön, die Graslilien. Etwas problematisch, Anthericum auszupflanzen, ist es vielleicht, wenn sich am vorgesehenen Standort Quecken (Elymus) angesiedelt haben. Die sollte man vor dem Pflanzen von Anthericum besser restlos entfernen, denn sonst fällt es schwer, den jungen Austrieb von Graslilien und die "alteingesessenen" Quecken zu unterscheiden. Das erschwert natürlich die Bekämpfung der Quecken.
Anthericum ramosum – Ästige Graslilie
Die Ästige und die Astlose Graslilie sind beide in Deutschland einheimische Pflanzen. Tatsächlich habe ich mal Bestände von Anthericum ramosum (der Ästigen) am Naturstandort gesehen, das war in der Rhön in Unterfranken und ist auch schon wieder ewig her. Beide Graslilien sind heute nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders geschütztund stehen auf der Vorwarnliste zur Aufnahme in die Rote Liste der gefährdeten Pflanzenarten (Stand Januar 2024). Das liegt nicht zuletzt am steten Rückgang ihrer natürlichen Habitate, denn wo Trockenrasen und Halbtrockenrasen verschwinden, verschwinden die Graslilien ebenfalls. In lichten Kiefern- und Eichenwäldern (A. liliago) und an sonnigen, steinigen Hängen (A. ramosum) sowie an Böschungen und Wald- und Feldheckenrändern sind sie noch am häufigsten anzutreffen.
A. ramosum (Ästige Graslilie) mit Episyrphus balteatus (Hain-Schwebfliege )
Pflanzen Sie diese Insektenmagneten (Honigbienen, Wildbienen, Schwebfliegen und andere tummeln sich auf ihnen) im Garten nie allein, so viel Platz ist immer. Die beiden sind ein tolles Duo, und nur gemeinsam schaffen sie es, dass von Mai bis August stets eine Graslilie blüht: Wenn die eine aufhört (liliago), fängt die andere gerade erst an (ramosum). Ich handhabe das meistens so, dass ich in Staudenrabatten in losen Abständen je ein Ästige und eine Astlose Graslilie "einstreue". Das lockert jede Pflanzung ungemein auf.
Beide Graslilien-Arten neigen zur Selbstaussaat. Das akzeptiert man entweder und kommt damit in den Genuss des schönen Fruchtschmucks der Graslilien – der bei Anthericum liliago auffälliger ist als bei ramosum – oder man greift nach der Blüte zur Gartenschere und schneidet die Blütentriebe einzeln aus dem Blatthorst heraus. Kompromiss: Nur einen Teil der verblühten Triebe herausschneiden, den Rest stehen lassen.
Anthericum liliago (Astlose Graslilie) – Samenstände
Sind Sämlinge (Achtung: Sämlinge von Anthericum liliago und ramosum lassen sich nicht unterscheiden) im Garten aufgegangen, die stören, können sie natürlich verpflanzt und dorthin gesetzt werden, wo sie gebraucht werden. Jungpflanzen lassen sich noch problemlos umpflanzen, bei älteren Graslilien muss man beim Versetzen vorsichtig zu Werke gehen, um ihre verdickten Wurzeln nicht zu sehr zu verletzen; Anthericum liliago reagiert dabei auf beschädigte Wurzeln verschnupfter als A. ramosum. Die Pflanzen sollten deshalb immer großzügig ausgegraben werden, um auf der sicheren Seite zu sein. Beste Jahreszeit für dieses Vorhaben: der Frühling.
Ein Rückschnitt – ich meine damit das bodennahe Zurückschneiden – nach der Blüte ist bei keiner der beiden Anthericum-Arten erforderlich, denn die Blatthorste sind während der gesamten Vegetationsperiode grün und ganz ansehnlich. Eigentlich wird bei Graslilien nur im Frühling mit der Hand das vertrocknete alte Laub (Graslilien ziehen komplett ein) mitsamt den alten Stängeln zusammengekratzt und entsorgt. Besser wäre es freilich, dieses Gestrüpp nur auf dem Beet (der Erde) zu verteilen und damit dem natürlichen Kreislauf zu überlassen. Dem Boden des Beetes tut das auf jeden Fall gut, unter anderem schützen die "Überreste" ein wenig vor dem Austrocknen.
Anthericum liliago (Astlose Graslilie) Ende August
Krankheiten sind mir bei Anthericum liliago und ramosum nicht bekannt und Schädlinge an ihnen selten begegnet. Nicht einmal die allgegenwärtigen Schnecken interessieren sich für ihr Laub, nutzen die dichten Horste allerdings ganz gern mal als Tagesversteck (und lassen sich dann gut absammeln). Lediglich Blattläuse sind in sehr blattlausreichen Jahren vorübergehend auf ihnen anzutreffen.
Zur Vermehrung der Graslilien taugt Aussaat am besten, besonders wenn Sie selbst frisches Saatgut im Garten ernten; mit den recht großen Samen lässt sich's gut arbeiten. Die beiden Anthericum-Arten sind Kaltkeimer, die Samen brauchen also eine Kälteperiode, um die Keimhemmung aufzuheben. Auf meiner Seite über staudige Clematis (Waldreben) erfahren Sie detailliert, wie Sie Kaltkeimer aussäen.
Anthericum liliago (Astlose Graslilie) – Samen
Anthericum ramosum (Ästige Graslilie) – Samen
Ältere Graslilien lassen sich zudem mittels Teilung vermehren. Dazu werden die Pflanzen ausgegraben, ihre Wurzeln mit einem Wasserstrahl vorsichtig gereinigt und vorsichtig auseinandergezogen. Größere Einzelstücke können anschließend gleich an Ort und Stelle eingepflanzt werden, kleine "Krepinskerchen" sollten zunächst in einem Pflanztöpfchen mit unkrautsamenfreier Erde kräftiger werden dürfen (Töpfe nicht in die volle Sonne stellen). Angießen in beiden Fällen nicht vergessen!
Anthericum – Graslilie, Sämlinge
Diese Vermehrungsmethode verspricht nur im Frühjahr Erfolg und wie beim Verpflanzen ist die Ährige Graslilie (liliago) beim Teilen ebenfalls empfindlicher als die Ästige (ramosum). Anthericum ramosum dagegen wurzelt noch tiefer als liliago, daher darf man sich nicht verunsichern lassen, falls beim Ausgraben lange Wurzeln durchtrennt werden; diese robuste Staude hält das aus.
Wenn ich mir's recht überlege, ist das Teilen der Horste eigentlich Quatsch, zumal Graslilien umso eindrucksvoller werden, je älter und größer die Horste sind. Dann doch lieber die Selbstaussaat nutzen und gegebenenfalls Sämlinge verpflanzen. Das ist weitaus einfacher hat allerdings einen Nachteil, sofern beide Arten im Garten sind: Die jungen Graslilien beider Arten sehen sich so ähnlich, dass sich erst mit der ersten Blüte zeigt, ob es sich um Anthericum liliago oder ramosum handelt. Eine Nachblüte später im Gartenjahr regt man mit dem Entfernen von Verblühtem jedenfalls nicht an, nur ab und zu erscheint in manchen Jahren im Herbst noch mal ein Blütentrieb.
Dass nicht in jedem Garten wenigstens eine Astlose Graslilie steht, ist mir unerklärlich. Ebenso unerklärlich ist mir das Gewese, das manche um den richtigen Standort für Anthericum liliago machen: durchlässiger, vorzugsweise steiniger Boden ohne Staunässe, wenig Stickstoff.
Ich hab' sie gepflanzt und gut war's. Jetzt stehen sie seit Jahrzehnten an verschiedenen Plätzen im Keidenzeller Lehmboden. Gut, gedüngt wird praktisch nicht, nährstoffarm haben sie's also. Gegossen wird ebenfalls nicht, trocken stehen sie deshalb meistens auch. Aber sonst? Da habe ich mir keinen Kopf gemacht und werde auch noch dafür belohnt, weil die weißen Blütensterne der Astlosen Graslilie Jahr für Jahr zuverlässig erscheinen und mich verzaubern. In "befreundeten Gärten" toleriert Anthericum liliago im Übrigen ebenso jeden Boden wie in meinem Garten. – Lassen Sie sich also bloß nicht verunsichern.
Anthericum liliago passt mit den straff aufrechten – fast möchte man sagen: strengen – Blütentrieben gut zu luftig leichten Ziergräsern, deren Blütenrispen die Kerzenblüten der Graslilie umschmeicheln. Das (Östliche) Wimper-Perlgras (Melica ciliata) ist zum Beispiel so ein Gras; das Silber-Ährengras (Stipa calamagrostis) eignet sich ebenfalls, es "erwischt" mit seiner späteren Blüte allerdings oftmals nur noch die Samenstände der Graslilie, was nicht minder reizvoll ist. Auch hübsch: Die großen Blütensterne der Ährige Graslilie als Fixpunkt inmitten von Stauden wie dem Ewigen Lein (Linum perenne), der Blauminze bzw. Blauen Katzenminze (höhere Sorten der Nepeta-Faassenii-Gruppe) oder dem Blausternbusch (Amsonia tabernaemontana), in deren Blütengewirr das Auge gar keinen richtigen Halt findet.
Anthericum liliago (Astlose Graslilie) – Austrieb
Bei allem, was man im Garten so zu Anthericum liliago kombiniert, sollte man auf passende Höhen der Begleitpflanzen achten: Anders als von den meisten Gärtnereien angegeben (50 cm ist die häufigste Höhenangabe, die ich gefunden habe), werden die Blütenstände der Traubigen Graslilie nämlich durchaus über 80 cm hoch (um die 50 cm Höhe erreichen allein die Blatthorste).
Flächige Pflanzungen von mehr als drei Horsten wirken nur in groß angelegten Staudenbeeten und ‑rabatten und selbst darin bloß, sofern die dekorativen Samenstände stehen bleiben dürfen. Ansonsten sind kleine Grüppchen von höchstens drei Pflanzen das Maximum, es wird sonst zu eintönig. Wie (fast) alles im Garten, ist das natürlich Geschmackssache.
Wuchshöhe: | 75-85 cm |
Blütenfarbe: | weiß |
Blütezeit: | Mai, Juni |
Lichtverhältnisse: | sonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken |
Verwendung: | Dachbegrünung |
Hinweis: | einheimische Wildstaude |
Anthericum ramosum (Ästige Graslilie) mit einer Glockenblume (Zufallssämling)
Die Ästige Graslilie ist in allem etwas zarter und feingliedriger als die Astlose G., auch ihre Blüten sind kleiner. Die Menge macht zwar dieses Manko wett, das bedeutet aber, dass A. ramosum im Gegensatz zur kerzengerade und fast orchideenartig blühenden A. liliago immer etwas zerzaust aussieht; entfernt erinnert es dadurch an hohes Schleierkraut (Gypsophila).
Pflanzenensembles mit ihm haben immer auch etwas Verspieltes, Romantisches. Die Kombination mit Glockenblumen, speziell mit hohen Arten wie der Nesselblättrigen (Campanula trachelium) oder der Pfirsichblättrigen (Campanula persicifolia) beispielsweise, entzückt mich Jahr für Jahr. (Mein Tipp: Gesellen Sie noch Platycodon grandiflorus in Weiß, die Ballonblume, dazu.) Denkbar auch als Nachbarn: das Großblütige Perlkörbchen (Anaphalis margaritacea), wenn es ganz Ton in Ton sein soll, der Großblütige Fingerhut (Digitalis grandiflora) für ein Arrangement in Pastell oder die Prachtscharte (Liatris spicata), sofern es mal richtig leuchten darf.
Anthericum ramosum (Ästige Graslilie) – Austrieb
Ausschließlich Anthericum ramosum ist auf größeren Flächen ein bisschen fad, es sollten daher immer Pflanzpartner kombiniert werden – gern bloß wenige und zwischendrin, Hauptsache, die Kombinationspartner sind nicht zu niedrig, weil die Rispige Graslilie selbst so um einen Meter Blütenhöhe hinlegt (die häufig zu findende Angabe "60 cm" ist schlichtweg falsch, allein die Blatthorste werden schon 40‑50 cm hoch). Dann sieht so ein Beet richtig klasse aus und macht jedem Gartenschau-Konzept Konkurrenz!
In naturnahen Gärten
naturnahe Pflanzungen:
Ein Garten, der weitgehend unter Verwendung von einheimischen Pflanzen angelegt ist.
und Wildstaudenpflanzungen
Wildstaudenpflanzungen:
Pflanzungen, die unter Verwendung von einheimischen und nicht einheimischen Pflanzen – keine Züchtungen – weitgehend sich selbst überlassen werden; der Gärtner greift nur gelegentlich ordnend ein. Eine Wildstaudenpflanzung kann sich über den ganzen Garten erstrecken oder auf einzelne Bereiche beschränken.
sollte die Rispige Graslilie auf keinen Fall fehlen! Sie ist äußerst unempfindlich und dank ihrer tief reichenden Wurzeln enorm trockenheitsverträglich. An Standorten akzeptiert diese Graslilie daher so einiges, solange sie nicht ganz im Schatten liegen oder ständig feucht sind. Volle Sonne und trockener Boden sind halt doch ihre Favoriten.
Wuchshöhe: | 90-115 cm |
Blütenfarbe: | weiß |
Blütezeit: | Juni, Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken |
Verwendung: | Dachbegrünung |
Hinweis: | einheimische Wildstaude; Pollenpflanze für Wildbienen |
Dass nur Pollen von Anthericum ramosum und nicht auch von A. liliago bei sammelnden Wildbienen gefunden wurde, ist vielleicht bloß Zufall. Wo man's halt grad untersucht hat (A. ramosum ist verbreiteter in Deutschland).
Lasioglossum calceatum (Männchen), hier auf Pfefferminze (Mentha)
Anthericum ramosum ist jedenfalls als Pollenquelle für Wildbienen belegt (Pollen für die Larven können die Wildbienen nicht von jeder Pflanze nehmen), und zwar bei Halictus maculatus, der Dickkopf-Furchenbiene, sowie bei Lasioglossum calceatum, der Gewöhnlichen Schmalbiene. Diese Wildbienen-Arten kommen in Deutschland noch häufig vor, die Furchenbiene ist dabei weit verbreitet, die Schmalbiene sogar flächendeckend. Sie nisten in selbst gegrabenen Hohlräumen in der Erde, gern an Stellen, die nur spärlich bewachsen sind, und es ist durchaus möglich, dass sie einem auch im Garten begegnen, wenn sie Nektar tanken oder Pollen sammeln (nur die Weibchen) – sofern geeignete Nistplätze in der Nähe sind. Halictus maculatus fliegt bereits ab März, Lasioglossum calceatum ab April, beide dann bis in den Oktober hinein.
Lasioglossum calceatum (Weibchen), hier an Aster pyrenaeus 'Lutetia'
Als ausgesprochen flexible Arten, was die Pollenpflanzen für ihre Larven anbelangt, könnten wir ihnen im Staudengarten zusätzlich zur Ästigen Graslilie noch die Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium) anbieten. Wem das wegen des recht invasiven Wachstums der Schafgarbe (Ausläufer) zu riskant ist, der siedelt vielleicht lieber die Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa) an. Die Gewöhnliche Schmalbiene sammelt zudem auch den Pollen an diesen Stauden: Flachblättriger Mannstreu (Eryngium planum), Echtes Johanniskraut bzw. Tüpfel-Hartheu (Hypericum perforatum), Quirlblütiger bzw. Quirl-Salbei (Salvia verticillata) und Gold-Felberich bzw. Punktierter Gilbweiderich (Lysimachia punctata). Das ist doch eine schöne Auswahl für einen abwechslungsreichen Wildbienen-Garten!
Lust auf mehr? – Ausführlichere Informationen zu Wildbienen finden Sie in meinem Artikel Wildbienen im Stauden-Garten.
Literatur: