Dass nicht einheimische Pflanzen unseren einheimischen Insekten eine willkommene Nahrungsquelle sein können, zeigt uns der Arzneiehrenpreis deutlich. Was natürlich nicht heißen soll, dass auf einheimische Pflanzen in den Gärten verzichtet werden kann.
Veronicastrum-Arten stammen fast alle aus den klimatisch gemäßigten asiatischen Gebieten, eine Art aus Nord-Amerika (V. virginicum). Die Ähnlichkeit aller mit der weitaus größeren Ehrenpreis-Gattung Veronica ist unverkennbar – ursprünglich waren alle Arten unter Veronica vereint.
V. sibiricum (Arzneiehrenpreis, Kandelaberehrenpreis) mit Raureif
Wie der deutsche Name Arzneiehrenpreis entstanden ist, kann ich nur mutmaßen: Veronicastrum virginicum heißt im Englischen unter anderem "Physic Root", weil die Pflanze in den USA zu Heilzwecken (bei Leber- und Gallenleiden) verwendet wurde, und dieser Name wurde möglicherweise bei der Einführung der Pflanze in Deutschland in Ermangelung eines angestammten Namens ins Deutsche übertragen. In der chinesischen Medizin werden Veronicastrum-Arten übrigens ebenfalls genutzt.
Bevor es mir so geht wie jenem Gärtner, der die Sorte 'Fascination' in einem Buch Veronicastrum virginicum zuordnet, auf den Internet-Seiten seiner Gärtnerei jedoch Veronicastrum sibiricum, bleibe ich lieber ganz vage bei der Bezeichnung Hybride.
Die Sorte 'Fascination' setzt mit dem leuchtenden Purpurrosa bis Purpurviolett ihrer Blütenkerzen starke Akzente im Staudenbeet und anderswo. Es ist natürlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man gerade diesen Farbton als willkommene Abwechslung im gelb dominierten Blütenmeer der Sommerblüher betrachtet. Falls nicht – es lassen sich durchaus auch andersfarbig und nicht gerade gelb blühende Stauden finden und kombinieren, die ein dezenteres Gesamtbild schaffen: Anthericum ramosum (Ästige Graslilie), Kalimeris yomena (Schönaster), Monarda-fistulosa-Sorten (Späte Indianernessel), Teucrium hyrcanicum (Kaukasus-Gamander) oder Symphytum officinale subsp. officinale (Arznei-Beinwell) und Gräser wie Panicum virgatum (Echte Rutenhirse), um nur ein paar zu nennen.
Veronicastrum (Arzneiehrenpreis) Sämling
Was den Standort anbelangt, ist 'Fascination' relativ flexibel. Diese Sorte verkraftet längere Trockenphasen ganz gut, schätzt Sonne ebenso wie Halbschatten und braucht in nährstoffarmen Böden hin und wieder etwas Dünger. Mehr Pflege ist gar nicht nötig. Starke Selbstaussaat ist nicht zu befürchten und deshalb bleiben bei mir die verblühten Blütenstände bis zum nächsten Frühling als Schmuck und Strukturgeber stehen. Ein einziger Sämling ist bislang aufgetaucht, allerdings kann ich beim besten Willen nicht sagen, ob es sich bei dieser Pflanze um eine F2-Hybride der 'Fascination' handelt (blüht etwas später als 'Fascination') oder eine Kreuzung mit meinem Veronicastrum virginicum.
Interessantes gibt es zu den Blütenkerzen von 'Fascination' zu vermelden: Die Blüten
Was normalerweise als Makel gilt, ist bei 'Fascination' also quasi das Markenzeichen, die persönliche Note sozusagen. Eine weitere Besonderheit: Wenn die winzigen Einzelblütchen von unten nach oben verblühen und abfallen, bleiben die weißen Griffel stehen, und die bleiben längere Zeit weiß, ehe sie sich braun färben. Das verlängert optisch den Blütenstand nach unten und lässt ihn von Weitem zweifarbig wirken: unten weiß, oben (purpur-)violettrosa.
Wie die Veronicastrum-Arten ist auch diese Hybride ein Insektenmagnet, eine Bienenweide. Sie beginnt ein bis zwei Wochen nach V. sibiricum zu blühen.
Wuchshöhe: | 110-180 cm |
Blütenfarbe: | purpurrosa bis purpurviolett |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | frisch |
Verwendung: | Solitär |
Hinweis: | Samenstände bis in den Winter dekorativ |
Veronicastrum sibiricum (Kandelaberehrenpreis) – Austrieb
Sendeturm-Ehrenpreis, aha. Noch nie gehört, aber bitte – die Vergabe von deutschen Namen steht ja jedem frei, und daher kann Veronicastrum sibiricum auf Deutsch eben auch Sendeturm-Ehrenpreis heißen.
Ich habe mich entschieden, den deutschen Namen Kandelaberehrenpreis zu verwenden, der sehr viel verbreiteter ist und gut zum Habitus der Pflanze passt.
Besonders ausdauernd und standfest (auch in Bezug darauf, starkem Wind und Regen zu trotzen), diese Attribute hat der Kandelaberehrenpreis verdient. Für optimalen Wuchs, vor allem Höhenwuchs, benötigt er reichlich Bodenfeuchtigkeit, also einen zumindest "frischen" Standort. Sonne oder Halbschatten? – Egal, aber Halbschatten ist ihm fast lieber, das hängt wiederum stark von der Wasserversorgung ab.
Längere Trockenphasen merkt man V. sibiricum an: Die Blätter hängen schlapp an den Stielen, zur Blütezeit neigen sich eventuell sogar schon die Blütenähren. Deutlicher kann die Aufforderung, zur Gießkanne zu greifen, nicht ausfallen. Der Kandelaberehrenpreis gedeiht ansonsten in allen nährstoffreichen Böden, gegebenenfalls sollte man mit maßvollen Düngergaben nachhelfen.
Für kleinere Gärten ist diese imposante Staude sicherlich nicht geeignet. Die angegebene Wuchshöhe von 100-150 cm basiert auf Erfahrungen, die ich im Versuchsgarten in nicht optimalem Boden (oft zu trocken und zu nährstoffarm) mit ihr gesammelt habe. In der Breite beansprucht V. sibiricum gut und gern ebenfalls 1,5 Meter, was es zu einer klassischen Solitärstaude macht. Soll der Kandelaberehrenpreis in ein Staudenbeet integriert werden, dann als Hintergrundpflanze oder als Leitstaude, um die sich alles dreht. Sein Vorteil: Die verblühten Blütentriebe können bis zum nächsten Frühjahr stehen bleiben (kaum Selbstaussaat!), es zerstört also kein Rückschnitt das Gesamtbild. Irgendwann im Winter fallen die abgestorbenen Triebe zwar um, aber dann ist's eh schon wurscht.
Wie alle Veronicastrum-Arten ist auch V. sibiricum ein Insektenmagnet, eine Bienenweide.
Die korrekte botanische Klassifizierung dieser Pflanzen ist umstritten. Handelt es sich um eine eigenständige Art (Veronicastrum sibiricum) oder um eine Varietät des Virginischen Arzneiehrenpreises Veronicastrum virginicum und damit um Veronicastrum virginicum var. sibiricum? In der "Bibel" der deutschen Gärtner, dem "Zander" (Handwörterbuch der Pflanzennamen, Verlag Eugen Ulmer) waren sie ehedem als Unterart Veronicastrum virginicum subsp. sibiricum gelistet, was nicht nur Zuspruch fand. In der neu überarbeiteten 19. Auflage des "Zander" von 2014 sind sie schließlich gar nicht mehr aufgeführt.
Veronicastrum virginicum (Virginischer Arzneiehrenpreis) – Stängel
Viele meiner (wissenschaftlich arbeitenden) Gärtner-Kollegen wollten und wollen sich der Einordnung als Unterart von V. virginicum nicht anschließen und sehen diesen Arzneiehrenpreis weiterhin als eigenständige Art Veronicastrum sibiricum. Sie argumentieren unter anderem, dass sich der Blütenaufbau sowie die Blütezeit insgesamt so stark von dem/der bei V. virginicum unterscheiden, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten handeln muss. Ich teile diese Meinung, mich irritiert aber noch mehr, wie eine Art, die nur in den USA vorkommt (der Artname virginicum bedeutet "virginisch" im Sinne von "ausschließlich in den USA beheimatet"), ausgerechnet in Asien eine Unterart haben soll, wo es etwa 20 andere, dort beheimatete Veronicastrum-Arten gibt.
Veronicastrum sibiricum (Kandelaberehrenpreis) – Stängel
Sei's wie's mag, ich bin kein Wissenschaftler, sondern Praktiker und sehe nur, was wie im Versuchsgarten wächst. Und deshalb wähle ich die Bezeichnung Veronicastrum sibiricum.
Es gibt da noch die weit verbreitete Sorte 'Apollo' (weiter verbreitet als die Art V. sibiricum selbst), die unter den verschiedensten botanischen Namen im Handel ist: Veronicastrum japonicum 'Apollo' oder Veronicastrum virginicum 'Apollo' zum Beispiel. Letzteres macht man gern mal, dass man zur Verkürzung und (vermeintlich) besseren Lesbarkeit des botanischen Namens für die Kunden die Varietät (var.) oder Subspecies (subsp. oder ssp.) weglässt (in diesem Fall fehlt der Zusatz var. sibiricum). Das fällt kaum auf, wenn die Unterschiede zwischen Art, var. und subsp. gering sind. Im Fall des 'Apollo' ist der Unterschied jedoch gravierend, weil die Art virginicum schon vom Wuchs her ziemlich anders ist als sibiricum bzw. virginicum var. sibiricum. Oder sollte hier 'Apollo' tatsächlich zu V. virginicum gestellt werden?
Grauslich, das alles, nicht wahr? Eigentlich sollten doch die Pflanzen im Mittelpunkt stehen und nicht nur deren Herkunft und Zugehörigkeit.
Wuchshöhe: | 90-150 cm |
Blütenfarbe: | violettblau |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | frisch |
Verwendung: | Solitär |
Hinweis: | Samenstände bis in den Winter dekorativ |
Es ist schon erstaunlich: Das in seiner Heimat Nord-Amerika an feuchten, nassen und sumpfigen Stellen vorkommende V. virginicum verträgt es bei mir im Garten sogar noch trockener als V. sibiricum, dem die größere Trockenheitstoleranz zugeschrieben wird.
Gut, an eine Wuchshöhe von bis zu zwei Metern kommen die Exemplare in meinem Garten nicht im Entferntesten ran, bei ihnen ist selbst in feuchteren Jahren (Jahren mit vielen Niederschlägen) bei höchstens 80-100 cm Schluss. Allerhöchstens! Sie gehen zudem nicht über die Maßen in die Breite und bilden mit ihren etwas steifen Blütentrieben eher lockere Horste.
Veronicastrum virginicum (Virginischer Arzneiehrenpreis) im Beet
Der Virginische Arzneiehrenpreis braucht einen guten, humosen Boden, nimmt gern mal ein bisschen Dünger extra und bevorzugt einen halbschattigen Standort, ohne direkte Sonneneinstrahlung, wenn die Sonne im Sommer am heißesten brennt. Bei mir im Garten sät er sich überhaupt nicht aus, es gibt also keinen Grund, Verblühtes so schnell wie möglich abzuschneiden.
Insgesamt eine sehr gartenwürdige Staude, um die man nicht viel Gewese machen muss. Ihr Vorteil ist noch dazu ihre "Neutralität" in puncto Pflanzpartner. Zu weiß sieht halt alles gut aus, und Veronicastrum virginicum blüht meistens weiß. (Hell-)
Wie alle Veronicastrum-Arten ist auch V. virginicum ein Insektenmagnet, eine Bienenweide. Es blüht später als V. sibiricum und die Sorte 'Fascination'.
Wuchshöhe: | 65-120 cm |
Blütenfarbe: | weiß |
Blütezeit: | Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-feucht |
Verwendung: | |
Hinweis: |