Echium russicum – Russischer Natternkopf
Echium geht stark in Richtung Wildnis, meinen Sie? Nun ja, es kommt ganz darauf an, welches man pflanzt und wie man es pflanzt, wohin man es pflanzt und wie man es pflegt. Welches Ziel man also verfolgt.
Die Rede ist hier von den in Mitteleuropa einheimischen Arten Echium russicum und Echium vulgare, die ruhig mehr in die Gärten und vielgestaltige Pflanzungen Einzug halten dürften. Die ebenso monströsen wie dekorativen Echium candicans oder E. piniana aus südlichen Ländern, die gelegentlich als Kübelpflanzen für Balkon und Terrasse angeboten werden, sind nicht gemeint. Die machen mir viel zu viel Arbeit, weil sie bei uns nicht winterhart sind, und deshalb jeden Herbst ins Haus geräumt und im Frühjahr wieder nach draußen gebracht werden müssen. Wer bei uns aber einheimisch ist, ist auch winterhart, und kann rund ums Jahr im Garten bleiben.
Echium vulgare – Gewöhnlicher Natternkopf
Recht langlebige Pflanzen finden sich allerdings auch unter diesen Mehrjährigen nicht, sie bleiben selbst an optimalen Pflanzplätzen (trocken; magerer, durchlässiger, gern steiniger Boden) nicht lange erhalten oder sind gar nur zweijährig. Oberstes Ziel sollte deshalb sein, sie durch Selbstaussaat – und dadurch bedingt mit etwas wechselnden Standorten – langfristig in den Garten und seine Strukturen einzubinden. Bevorzugtes Terrain: Steppengärten sowie Wildstaudenpflanzungen
Wildstaudenpflanzungen:
Pflanzungen, die unter Verwendung von einheimischen und nicht einheimischen Pflanzen – keine Züchtungen – weitgehend sich selbst überlassen werden; der Gärtner greift nur gelegentlich ordnend ein. Eine Wildstaudenpflanzung kann sich über den ganzen Garten erstrecken oder auf einzelne Bereiche beschränken.
. Wohl dem, der dafür genügend Platz in seinem Garten hat, denn wo sie sich wohlfühlen, wachsen Natternköpfe nicht gerade zierlich.
Wenn ein Natternkopf im Garten kümmert, kann es nur am Standort oder einem Pflegefehler liegen (Zu viel gegossen? Gedüngt?). Höchstens, dass sich mal ein paar Blattläuse auf der Durchreise auf die behaarten Pflanzenteile verirren, doch die wandern rasch weiter; es gibt Angenehmeres für sie. Schnecken können sich ebenfalls nicht für diese "haarigen Gesellen" erwärmen. So ist das – des Gärtners Freud, der Schnecken Leid.
Die Vermehrung dieser beiden Natternkopf-Arten ist kein Hexenwerk, zumal für beide Arten nur Aussaat infrage kommt. Die Samen sind nicht zu klein und daher dürften selbst Ungeübte gut damit zurechtkommen. Allerdings keimen die Samen der beiden Echium-Arten recht ungleichmäßig, daher sollten Sie nicht ungeduldig werden und ein paar Tricks draufhaben.
Echium vulgare – Samen
Besorgen Sie sich zunächst das Saatgut. Je frischer es ist, desto besser keimt es, weshalb es natürlich schon mal ein großer Vorteil ist, wenn Sie es im Garten selbst gewinnen oder von befreundeten Gartenbesitzern frisch bekommen können. So geht's: Nach der Blüte die Samenstände an den Pflanzen belassen, damit die Samen ausreifen können, und die verblühten Blütentriebe erst abschneiden, kurz bevor die Samen von selbst ausfallen; das Timing dafür ist etwas knifflig und verlangt aufmerksame Beobachtung der Pflanzen. Die Triebe an einem warmen Ort (nicht in der Sonne) trocknen lassen (z. B. in einem mit Zeitungspapier ausgelegten Karton). Anschließend die Samen aus den Samenständen schütteln, zumindest grob von Pflanzenresten reinigen und den Winter über kühl und trocken lagern (z. B. in einem Butterbrotpapiertütchen). Im Februar/
Echium vulgare – Sämling
Die Samen in Töpfchen oder Kistchen mit unkrautsamenfreier Erde säen und dünn/
Ist nach vier bis sechs Wochen wenig oder nichts gekeimt, packt man das Aussaatgefäß (ohne Keimlinge, die müssen vorher raus) in einer Plastiktüte für drei bis vier Wochen in den Kühlschrank (bei höchstens 5 °C), anschließend wird es wieder bei etwa 20 °C aufgestellt. Nach wie vor gleichmäßig feucht halten und gekeimte Pflänzchen pikieren.
Nach ein paar Wochen (Gießen nicht vergessen!) sollten die pikierten Jungpflanzen groß und kräftig genug sein, um im Garten ausgepflanzt zu werden. In der Regel blühen die Sämlinge im Jahr nach der Aussaat.
Der Russische Natternkopf ist ein Kompromiss für diejenigen, die zwar mit Wildpflanzen Insekten anlocken möchten, jedoch Wert auf geordneten Wuchs sowie einen hohen Ziercharakter und das Besondere legen.
Von Österreich ostwärts bis in den Norden der Türkei und hinauf über den Kaukasus bis nach Russland erstreckt sich das natürliche Verbreitungsgebiet dieser – trotz des etwas steifen und sparrigen Erscheinungsbildes – Schönheit. Sie wächst dort auf steinigen, steppenartigen Flächen und in lichten Kiefernwäldern. Die Naturstandorte geben damit den idealen Platz für Echium russicum in Gartenkultur vor: den Steingarten. Ein Standort im Beet ist möglich, allerdings nur, wenn der Boden abgemagert wird, weil normaler Gartenboden in der Regel zu viele Nährstoffe enthält. Üppige Nährstoffversorgung quittiert der Russische Natternkopf mit früh- und vorzeitigem Ableben.
Fällt die Wahl auf den Steingarten als Pflanzplatz, gehört es unabdingbar zur Pflege des Russischen Natternkopfes, die verblühten Blütentriebe abzuschneiden, bevor die Samen reifen und ausfallen können. In solchen Pflanzsituationen wie dem Steingarten mit meist sorgfältig ausgewählten und platzierten Pflanzenschätzen ist das, was andernorts möglicherweise sogar erwünscht ist, nämlich nicht bzw. nur sehr bedingt tolerierbar: Selbstaussaat.
Echium russicum ist ein Tiefwurzler, der sich alles, was er an Feuchtigkeit braucht, von ganz unten holt. Zusätzliches Gießen gut eingewachsener Pflanzen ist deshalb selbst in trockenen Jahren nicht nötig. Im Gegenteil: Nur in regenreichen Jahren und Regionen muss man um ihn bangen.
Wichtigste Voraussetzung für seine dauerhafte Ansiedelung ist daher – neben dem mageren Boden – ein gut drainierter Standort. Helfen Sie notfalls nach, indem Sie vor dem Pflanzen ein ca. 50 cm tiefes Loch (etwa 40 x 40 cm) am gewünschten Standort ausheben, einen Teil des Aushubs mit Sand und Splitt vermischen und das Loch damit auffüllen. Das Substrat sollte sich einige Tage setzen dürfen, ehe Sie pflanzen. Mit dieser Aktion sorgen Sie automatisch auch für mageren Boden.
Unter solchen Bedingungen ist der Russische Natternkopf mehrjährig und winterhart. An "schlechten" Plätzen verliert man ihn bereits nach kurzer Zeit. Zwei Jahre, länger hat man ihn dann nicht, denn an nährstoffreichen Stellen mit reichlicher Wasserversorgung ist Echium russicum monocarp, das bedeutet, dass die Pflanze nach der Blüte (und der damit verbundenen Frucht- bzw. Samenbildung) abstirbt.
Ein vollsonniger Standort ist dem Russischen Natternkopf gerade recht, ein Platz im lichten Halbschatten oder ein absonniges Fleckchen (hell, jedoch ohne direkte Sonneneinstrahlung) schaden ihm allerdings nicht.
Echium russicum ist nur über Aussaat zu vermehren. Die kann man entweder den Pflanzen im Garten überlassen oder selbst in die Hand nehmen (zuvor Samen an den Pflanzen ausreifen lassen und abnehmen). Junge Sämlinge, die nach Selbstaussaat im Garten gekeimt sind, können ausgegraben und an passende Standorte verpflanzt werden. Das sollte wegen der Pfahlwurzel jedoch frühzeitig nach dem Keimen geschehen.
Wuchshöhe: | 60-80 cm |
Blütenfarbe: | weinrot |
Blütezeit: | Juni, Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Steingarten |
Hinweis: | bevorzugt nährstoffarmen Boden |
Echium vulgare unter einer Weide
In Naturgärten
Naturgarten:
Ein Garten, der ausschließlich mit einheimischen Pflanzen angelegt ist.
, naturnahen Gärten
Naturnaher Garten:
Ein Garten, der weitgehend unter Verwendung von einheimischen Pflanzen angelegt ist.
sowie Wildstaudenpflanzungen
Wildstaudenpflanzungen:
Pflanzungen, die unter Verwendung von einheimischen und nicht einheimischen Pflanzen – keine Züchtungen – weitgehend sich selbst überlassen werden; der Gärtner greift nur gelegentlich ordnend ein. Eine Wildstaudenpflanzung kann sich über den ganzen Garten erstrecken oder auf einzelne Bereiche beschränken.
dürfte dieses in Deutschland einheimische Echium (im Stadtstaat Hamburg stark gefährdet, aber insgesamt nicht gefährdet und nicht besonders geschützt, Stand Januar 2024) sowieso schon vertreten sein. Wo es vermutlich (noch) fehlt, das sind Gärten mit sorgfältig geplanten, angelegten und gepflegten Beeten und Strukturen. Auch in diese Anlagen lässt sich der Gartenvagabund Echium vulgare problemlos integrieren, ohne das Gesamtbild zu beeinträchtigen. Dass er nur zweijährig ist, kann man sich zunutze machen und ihn als "Lückenbüßer" einsetzen überall da, wo die eigentlich gewünschten Pflanzen noch recht klein sind oder eine Umgestaltung "überalterter" Beete aus Zeit- oder sonstigen Gründen noch etwas warten muss.
Eine Maskenbiene (Hylaeus, Weibchen) an Echium vulgare
Farblich sollte es halt passen, aber außer mit kräftigen, klaren Rottönen lässt sich der Gewöhnliche Natternkopf mit allen Farben kombinieren. Seine Blüten sind selbst recht farbenfroh, blühen rosa auf und werden später leuchtend blau (vielleicht kennen Sie das vom Gewöhnlichen Lungenkraut – Pulmonaria officinalis).
Braucht man mehr Echium (das wäre für die Wildbienen ebenfalls wichtig), lässt man die Pflanzen aussäen und verzichtet auf den Rückschnitt der Triebe nach der Blüte. Sämlinge (leicht zu erkennen an den Blattrosetten mit langem, schmalem, spitz zulaufendem und rau behaartem Laub) können verpflanzt werden, solange sie noch klein sind, später ist das wegen der Pfahlwurzel nicht mehr möglich. Deshalb lässt sich nach einer Selbstaussaat relativ leicht entfernen, was zuviel ist – eine durchtrennte Pfahlwurzel überlebt die Pflanze nicht.
Echium vulgare mit Blutroter Heidelibelle
Einen Versuch ist Echium vulgare allemal wert. Pflanzen, die praktisch keine Pflege brauchen, sind doch immer willkommen! Vielleicht starten Sie mit ein oder zwei Pflanzen an einem vollsonnigen und gern auch warmen, geschützten Plätzchen. Trockenheit verträgt der Gewöhnliche Natternkopf recht gut, denn er wurzelt tief; zu gießen brauchen Sie ihn im Normalfall deshalb nicht (nur in den ersten Tagen nach dem Pflanzen). Der Boden sollte kalkhaltig sein und nährstoffarm. Gar so empfindlich ist er da aber auch nicht, Hauptsache, der Boden ist nicht frisch gedüngt oder generell überdüngt.
Wuchshöhe: | 60-120 cm |
Blütenfarbe: | blau mit purpur, im Aufblühen rosa |
Blütezeit: | Juni, Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Naturgarten; Wildstaudenpflanzungen |
Hinweis: | kalkhaltiger Boden; Pollenlieferant für viele Wildbienen-Arten |
Osmia-bicornis-Weibchen an Echium vulgare
In einem Dorado für Wildbienen und die Insektenwelt allgemein darf der Gewöhnliche Natternkopf nicht fehlen. Sein Pollen wurde bei sage und schreibe 40 Wildbienen-Arten (aus verschiedenen Gattungen) in Deutschland als Larvenproviant belegt; um die Brut und damit auch ums Pollensammeln kümmern sich übrigens nur die Weibchen.
Diese Wildbienen-Arten (ohne Hummeln) sind auf Pollen von Echium vulgare für ihre Larven mehr oder weniger angewiesen (alle folgenden Angaben nach Westrich 2018):
Echium vulgare – Gewöhnlicher Natternkopf
Die meisten dieser Bienen sammeln Pollen von vielen verschiedenen Pflanzenarten (auch aus unterschiedlichen Pflanzenfamilien), zwei Bienen-Arten sind allerdings auf den Gewöhnlichen Natternkopf als Pollenquelle angewiesen: die Mauerbienen-Arten Osmia adunca (Natternkopf-Mauerbiene) und Osmia anthocopoides. (Osmia lepeletieri sammelt zwar ebenfalls nur auf Echium vulgare, doch sie gilt in Deutschland schon lange als verschollen; die spare ich mir.)
Osmia anthocopoides ist in Deutschland weit verbreitet, inzwischen jedoch selten geworden. Als Lebensraum dienen ihr felsige Regionen bzw. Gebiete mit Steinaufschüttungen, z. B. alte Steinbrüche, Schotterdämme und Böschungen oder sogar Güterbahnhöfe. An solchen Stellen werden zwischen dem Gestein die Nester angelegt. Große Natternkopf-Bestände ganz in der Nähe sind natürlich Voraussetzung für den Nestbau; schließlich sind sie die einzige Pollenquelle. Flugzeit dieser Mauerbiene ist etwa Anfang Juni bis Mitte Juli, erst im darauffolgenden Jahr taucht die neue Generation auf; die Larven überwintern in den Nestern.
Osmia-adunca-Weibchen an Echium vulgare
Wesentlich häufiger kommt in vielen Regionen Deutschlands Osmia adunca, die Natternkopf-Mauerbiene vor. Für sie müssen Pollenquelle und Nistgelegenheit nicht so nah beieinander liegen wie für O. anthocopoides (trotzdem noch unter 300 m Luftlinie!).
Als Nistplatz dienen dieser Biene allerlei vorgefundene Hohlräume zwischen Steinen, in Löss-, Lehm- und Fachwerkwänden, in Totholz oder Schilfhalmen. Die Natternkopf-Mauerbiene ist daher auch für Nisthilfen wie Bambusröhrchen, Stäbe vom Riesen-Chinaschilf (Miscanthus x giganteus) und Bohrungen in Holzblöcken in Süd- bis Westlagen zu begeistern (Lochdurchmesser 6 mm, +/- 1 mm).
Hummeldame mit Milbe auf Echium vulgare
Naturgemäß fliegt auch diese Bienen-Art während der Blütezeit von Echium vulgare, also in der Regel ab Juni. Wie lange sie unterwegs ist, hängt wiederum von der Blütezeit des Gewöhnlichen Natternkopfes ab (in "normalen" Jahren bis August). Dann ist's vorbei mit ihr, und die neue Generation Natternkopf-Mauerbienen (eine Generation im Jahr) taucht erst im nächsten Jahr auf; die Larven überwintern in den Nestern.
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und mehr über Wildbienen und ihre Lebensweise erfahren möchte, dem sei meine Seite Wildbienen im Stauden-Garten ans Herz gelegt.