Ein entspannendes Bad nach einem hektischen Tag? Erfrischender Eistee in einem heißen Sommer? Ein leichtes und aromatisches Sorbet nach einem delikaten Mahl? Oder vielleicht ein zarter Salat mit frischen Kräutern des Frühlings? – Die Zitronen-Melisse mit ihrem fruchtigen Geschmack und den vielen wohltuenden Eigenschaften macht das möglich.
Aber Vorsicht, kleine Ursache – große Wirkung: Die Blüten der Zitronen-Melisse sieht man kaum (man bemerkt die Blüte hauptsächlich, weil die Insekten wie verrückt um die Melisse schwirren), doch sie bilden nach der Bestäubung Samen ohne Ende, die keimen, wo sie hinfallen. Und aus denen Pflanzen mit verholzendem Wurzelstock werden und kurzen Ausläufern noch dazu. Mit diesen Eigenschaften war es für Melissa officinalis nicht gar so schwer, sich in Deutschland in vielen Gebieten in der Natur zu etablieren und neophytische Bestände zu bilden. Wer hätte das gedacht: Zwei Nachtfalter-Arten – die Buchdruckereule (Naenia typica) sowie der Schlehen-Bürstenspinner (Orgyia antiqua) – nutzen sie sogar als Raupen-Futterpflanze.
Melissa officinalis (Zitronen-Melisse) – Samen
Wir können im Garten gar nichts Bessres tun, als die Triebe der Zitronen-Melisse zum frischen Gebrauch in der Küche abzuernten oder sie während der Blüte zu schneiden und sie bündelweise kopfunter zum Trocknen aufzuhängen, um sie später zu verwenden. Um die Vermehrung braucht sich also im Prinzip niemand zu kümmern, wenn man sie lässt, macht sie das schon selbst.
Als Schmuckpflanze ist Melissa officinalis den meisten trotz ihrer frischgrünen Blätter sicher etwas zu schmucklos. Sie erfüllt eher den Zweck eines "Lückenfüllers", aber auch das eben nur bis zur oder kurz nach der Blüte; dann sollte der Rückschnitt erfolgen.
Schon allein der vielen Insekten wegen, die eifrig ihren Nektar sammeln, sollte die Zitronen-Melisse in keinem Garten fehlen. Den richtigen oder falschen Standort gibt es für sie nicht, sie nimmt alles an, was sie vorgesetzt bekommt. Leicht beschattete Standorte werden bevorzugt, sind jedoch kein Muss. Dank dieser Anspruchslosigkeit beschränkt sich die Pflege auf den bereits angesprochenen Rückschnitt (damit keine Samenstände stehen bleiben und Sämlinge ausgegraben werden müssen). Der ideale Platz für Zitronen-Melisse befindet sich deshalb etwas abseits vom allgemeinen Gartengeschehen und in naturnahen
naturnahe:
Ein Garten, der weitgehend unter Verwendung von einheimischen Pflanzen angelegt ist.
Pflanzungen.
Anthidium manicatum (Weibchen) auf Melissa officinalis (Zitronen-Melisse)
Nicht so weit abseits allerdings, dass man gar nicht mehr an ihr vorbeikommt. Zumindest ab Juni sollte man immer wieder mal einen Blick riskieren, ob nicht vielleicht die Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum) unterwegs ist und Pollen der Zitronen-Melisse als Larvenproviant sammelt (auch sie scheut sich also nicht vor Neophyten). Diese Wollbienen-Art kommt in Deutschland erfreulicherweise häufig und in vielen Regionen vor (Anthidium manicatum fliegt von Juni – mitunter schon im Mai – bis in den August, gelegentlich zudem in einer zweiten Generation im Spätsommer). Die Chancen, sie zu entdecken, stehen also nicht schlecht, zumal die Garten-Wollbiene solch eine auffällige Erscheinung ist, dass man sie schwerlich übersehen kann: schwarz-gelb gezeichneter Hinterleib, partiell gelb im Gesicht, gelb-rote, kräftige Beine, rundliche Gestalt und eine ansehnliche Größe von 10‑13 mm (Weibchen) respektive 14‑18 mm (Männchen).
Anthidium manicatum (Weibchen) schabt Pflanzenhaare von Stachys byzantina (Woll-Ziest)
Anthidium manicatum baut ihre Nester in Löcher, Ritzen und Spalten (in Erde, Holz, Gestein), bezieht jedoch nur "Fertigbauten" und gräbt selbst keine Nisträume. Zum Auskleiden der Nester verwendet diese Art (für den Nestbau sind allein die Weibchen zuständig) Pflanzenhärchen, die sie von den Blättern "samtiger" Pflanzen, wie zum Beispiel Stachys byzantina (Woll-Ziest) oder Silene coronaria (Kronen-Lichtnelke) abschabt. Als Nahrungsvorrat für die Larven wird Pollen von einer Vielzahl an Pflanzen (aus den Familien Facaceae, Lamiaceae und Plantaginaceae) gesammelt und eingelagert, darunter neben Melissa officinalis etliche, die im (gepflegten) Stauden-Garten ebenfalls ihren festen Platz haben:
Lupinus polyphyllus (Garten-Lupine), Clinopodium nepeta (Kleinblütige Bergminze), Leonurus cardiaca (Echtes Herzgespann), Nepeta x faassenii (Blauminze), Salvia glutinosa (Klebriger Salbei), Salvia sclarea (Muskateller-Salbei), Stachys byzanthina (Woll-Ziest), Stachys officinalis (Echter Ziest, Heil-Ziest), Teucrium chamaedrys (Edel-Gamander), Digitalis grandiflora (Großblütiger Fingerhut), Digitalis purpurea (Roter Fingerhut), Digitalis lanata (Wolliger Fingerhut), Linaria purpurea (Purpur-Leinkraut).
Pollen von Salvia transsylvanica (Siebenbürgen-Salbei) und Digitalis ferruginea (Rostfarbiger Fingerhut) haben die Wissenschaftler zwar nicht in untersuchten Pollenladungen von Garten-Wollbienen gefunden, sie werden bei mir im Garten von Anthidium manicatum jedoch ebenfalls fleißig gesammelt.
Wenn da nicht für jeden Garten und jeden Gartler/
Melissa officinalis (Zitronen-Melisse) – Austrieb
Züchterische Bemühungen um Melissa officinalis subsp. officinalis haben einige Sorten hervorgebracht, die mit besonderem (meist mehrfarbigem) Laub glänzen oder mit einem höheren Anteil an ätherischen Ölen. Letztere sind natürlich für Wellness-Anwendungen, die medizinische Verwendung und die Öl-Gewinnung sehr interessant. So pflegeleicht wie die Art sind die Sorten im Allgemeinen allerdings nicht: Sie vertragen keine Staunässe und verlangen durchlässigen Boden. Die buntlaubigen Sorten brauchen außerdem immer einen halbschattigen Standort, allein um ihre Blattfärbung zu behalten. Die Vermehrung der Sorten erfolgt besser über Stecklinge und Teilung.
Wuchshöhe: | 40-100 cm |
Blütenfarbe: | weißlich |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | frisch |
Verwendung: | Gewürz- und Heilpflanze |
Hinweis: | Staunässe vermeiden; etablierte neophytische Bestände; Pollenquelle für Wildbienen |
Daten und Fakten zu Anthidium manicatum aus "Die Wildbienen Deutschlands" von Paul Westrich, Ulmer-Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2018, ISBN 978-3-8186-0123-2